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Gespräche zum Unterrichtsbesuch

Katharina Lüthi | 25. September 2018

Studierende des Partnerschuljahrs haben ihr zweiwöchiges Blockpraktikum am Beginn des neuen Schuljahrs im Kindergarten oder in der Primarschule abgeschlossen. Die Gespräche zum Unterrichtsbesuch fanden anders als im letzten Partnerschuljahr nicht unmittelbar im Anschluss an den Besuch meinerseits, sondern zeitversetzt statt.

Die Idee des Konzepts besteht darin, nicht «im Hungerast» und subito von der Gestaltungs- zur Reflexionsrolle um-, sondern einen Zeitraum für datengestützte und handlungsentlastete Überlegungen zwischenzuschalten. Auch sollte der Tendenz zur Bewertung des Unterrichtshandelns entgegen und dem Identifizieren spannender Fragen zugearbeitet werden.

Die Studierenden haben sich mithilfe eines Leitfadens auf das Gespräch vorbereitet und

  1. aus einer Sammlung von videographierten Unterrichtssequenzen einen Videoausschnitt ausgewählt,
  2. ein Beobachtungsprotokoll auf der Basis einer Videosequenz geschrieben und
  3. Anregungen zur Grundlage ihrer Überlegungen gemacht.

Die Beobachtungsprotokolle zeigen zwei starke Codes: retrospektive Bewertungen sowie prospektive Suchbewegungen.

  • Retrospektive Bewertungen basieren auf Videosequenzen, die Studierende als besonders gut gelungen oder als verbesserungswürdig einschätzen.
  • Prospektive Suchbewegungen zielen mit konkret formulierten Fragestellungen auf weitere Beobachtungen. Diese Beobachtungen zielen nun nicht mehr nur auf eine Bewertung von Unterricht, sondern auf die Beschreibung von bemerkenswerten Phänomenen.

Ein solches Phänomen hat sich gestern in einem Gespräch herauskristallisiert und dokumentiert sich im Beobachtungsprotokoll in folgender Frage:

«Wie könnte man sonst noch aufzeigen, wie und ob die Schülerinnen und Schüler den methodischen Vorgang der Nachbarzahlen verstanden oder nicht verstanden haben? (Scheinaufmerksamkeit?)»
Gizem Özgen

Der Code Scheinaufmerksamkeit beschreibt das Problem, dass eine vermeintlich reibungslose Unterrichtssequenz noch keine hinreichende Aussage darüber gestattet, was tatsächlich verstanden bzw. gelernt wurde.

In den kommenden Mentoratsgesprächen, die als Einzelgespräche stattfinden, wird es nun darum gehen, solche «Perlen» der Beobachtung zu vertiefen. Vertiefungen müssen sich dabei durchaus nicht auf nicht beobachtbare innerpsychische Vorgänge des Lernens beschränken, sondern können – wie sich in den gestrigen Gesprächen herausgestellt hat – auch die Organisation eines differenzierten Unterrichts betreffen und von der Ebene der Interaktion auf die Ebene der Klassenführung, der Schulentwicklung und bildungspolitischer Vorgaben führen.

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Kommentare

Ein Kommentar erfasst zu Gespräche zum Unterrichtsbesuch

    Tobias Leonhard

    Zeitliche Entkopplung - das scheint mir eine sehr interessante konzeptionelle Idee zu sein.
    So ist die Distanzforderung nicht nur Programm, sondern wird gleich organisatorisch aufgenommen.
    Apropos organisatorisch - der eigentliche Grund dafür, dass die berühmt-berüchtigten Nachbesprechungen bisher so konsequent im Anschluss an den Besuch eines/einer Hochschulmitarbeitenden stattfindet, liegt wohl darin, dass es einfach "praktisch" ist - wenn der/die Mitarbeitende schon mal da ist, kann man ja auch gleich die Auswertung machen.

    Die Entkopplung, die Katharina Lüthi vorschlägt, weist hier einen Ausweg, der für unsere Vertiefungspraktika sicher gangbar ist: Die Unmittelbarkeit der Eindrücke, die damit oft auch verbundene emotionale Beteiligung wird durch die zeitliche Frist "gedämpft", die vorliegenden Daten und die Möglichkeit zur vorgängigen eigenen Auseinandersetzung damit halten die tatsächlichen Ereignisse aber fest und ermöglichen weiterhin die gründliche am Verstehen orientierte Analyse.

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